Panik und Sex und warum Anleger so nicht denken sollten

In Marketing und Journalismus gibt es den alten Satz “Sex sells” (zur Panik kommen wir später). Soll heißen, nackte Haut erregt Aufmerksamkeit und in der Werbung helfen sexy Lächeln, unbedeckte Beine (und mehr) Autos und dergleichen zu verkaufen. Im Journalismus sollen sie für Klicks und Heftabsatz sorgen. Das führt oft zu absurden Illustrationen. Journalisten nutzen Portraitbilder, die so gut wie nichts mit dem Inhalt eines Artikels zu tun haben, um diesen an den Leser zu bringen. Dann soll eine strahlende junge Frau, die sich vielleicht sogar ein Taschentuch vor den Mund hält, den Dieselskandal illustrieren. Es gibt noch viel komischere Beispiele. Die würde ich gerne zeigen. Andererseits könnte man mir dann ja vorwerfen, dass ich genauso versuchen würde mit halb oder ganz nackten Körpern für Klicks zu sorgen. Also mal ohne Bilder.

Wenn es um Börsenberichterstattung geht, wird der Sex gern durch Panik ersetzt. Die spricht schließlich genau so Instinkte an. In diesem Fall Angst (vor dem Crash) und Gier (noch schnell im Plus zu verkaufen). Dieser Tage, wo die Börsen etwas stärker schwingen, geht das ganz einfach. Mir fiel da neulich der newsletter des Handelsblatts (negativ) auf. “Ende der Party” wurde 1m 12. Oktober getitelt – ohne Fragezeichen. “schwache Konjunktur, Angst vor einem Handelskrieg und steigende Zinsen: Die Stimmung an den internationalen Börsen könnte kaum schlechter sein. Weltweit haben Investoren einen breiten Ausverkauf von Aktien gestartet. Für Anleger gilt ab sofort verschärfte Anschnallpflicht”, ging es weiter (fett wie im Original). Achwas, es geht also nicht immer nur nach oben?

Da war ich nicht der Einzige, der sich ärgerte, dass die seriöse Wirtschaftszeitung da so wenig nüchtern die Stimmung an den Märkten beschrieb. Kollege Gerald Braunberger von der FAZ schrieb heut diesen Kommentar mit einem ebenso heftigen wie lustigen Seitenhieb auf das Handelsblatt. Was nicht heißen soll, dass die FAZ nicht manchmal ähnlich wenig stringent ist.

Wer wirklich erfolgreich investieren möchte, weiß, dass Panik kein gutes Verkaufsargument ist. Lieber nüchtern handeln und die Aufregung woanders suchen. Wer in Panik verkauft mag allenfalls kurzfristig Verluste begrenzen, langfristig wohl eher die Gewinne. Denn Privatanleger steigen üblicherweise beim Aufschwung zu spät wieder ein und realisieren vor allem hohe Handelskosten. Gewinn macht, wer sich vom Auf und Ab nicht irritieren lässt, sondern stetig und langfristig anlegt. Etwas ausführlicher erläutere ich das in diesem Beitrag.

Zu viele Deutsche begehen noch immer diesen Fehler

Der September nähert sich dem Ende und damit kommt die Allianz wieder mit ihrem alljährlichen Weltvermögensbericht Allianz Global Wealth Report. Deutsche bzw. wer in Deutschland (oder auch Österreich) lebt, erwirtschaftete auch 2017 im Schnitt eine erheblich schwächere Rendite auf sein Geld als einige Nachbarn. So lag die reale Nettorendite in Deutschland vergangenes Jahr bei knapp über 2%, in den Niederlanden und Spanien hingegen mit über 4% ungefähr doppelt so hoch.

Sicherheit, Konsum oder Chance? (Zum Vergrößern klicken, Abbildung: Allianz)

Sicherheit, Konsum oder Chance? (Zum Vergrößern klicken, Abbildung: Allianz)

Woran liegt’s?

“Spiegelbildlich liegen die deutschen Haushalte dafür in einer anderen Wertung ganz weit vorne (wiederum gemeinsam mit den Österreichern): Die Kaufkraftverluste auf Bankeinlagen stiegen allein im letzten Jahr auf etwa 400 Euro pro Kopf – Ausweis der negativen realen Renditen dieser Vermögensklasse”, schreibt die Allianz. Zwar investieren die Leute in Deutschland mittlerweile wieder mehr in Aktien und Investmentfonds, aber eben immer noch vergleichsweise wenig. Das sieht nicht nur in anderen westeuropäischen Staaten und dort vor allem in Nordeuropa anders aus, sondern auch in den USA. Langfristig profitiert, wer mehr Risiko eingeht.

Scheu vorm Risiko hat einen hohen Preis

Die Allianz legt nochmal nach: “Wachstumsspitzenreiter waren im vergangenen Jahr die norwegischen und schwedischen Haushalte, deren Geldvermögen jeweils einen Anstieg von 6,1% verzeichnete, dicht gefolgt von den Schweizern, die sich über ein Plus von 5,9% freuen durften. Im übrigen deutsch-sprachigen Raum divergierte die Entwicklung: Während Deutschland mit einem Zuwachs von 5,1% den regionalen Durchschnitt schlug, hinkte Österreich deutlich hinterher (+3,3%).Das kräftige Wachstum in Deutschland geht – wie in den Vorjahren – auf die hohen Sparanstrengungen der dortigen Haushalte zurück. Setzt man die Mittelzuflüsse in Relation zumBrutto-Geldvermögen, sind die deutschen Haushalte mit 3,7% ungeschlagene „Spar-Europameister“. Ihre nach wie vor ausgeprägte Liquiditätspräferenz führte dabei dazu, dass nirgendwo sonst in Europa die Bankeinlagen stärker wuchsen als in Deutschland.” Und Bankeinlagen bedeuten negative Nettorendite.

Mit einem Nettogeldvermögen pro Kopf von 52 390 Euro liegt Deutschland weltweit auf Platz 18 – wie im vergangenen Jahr. Schweizer und US-Amerikaner nennen mehr als dreimal so viel ihr eigen. Dahin aufzuschließen ist ein weiter Weg, der mit viel Arbeit oder mehr Risiko einhergeht. Ich wüßte, was ich wählen würde. Und jetzt erstmal Urlaub.

Crash! Was jetzt zu tun ist

Der Crash im Herbst 2008 am MSCI ACWI illustriert.

Der Crash im Herbst 2008 am MSCI ACWI illustriert (zum Vergrößern klicken).

Zehn Jahre ist der Ausbruch der Finanzkrise und damit der große Crash im Herbst 2008 jetzt her. Von Lehman war hier schon die Rede, diesmal ein Blick darauf, wieso es so wichtig ist, beim Platzen der Blase die Nerven zu behalten – und weiter zu kaufen. Kleiner Spoiler vor ab: Als gutes Beispiel wird der norwegische Ölfonds herangezogen.

Viele, wenn nicht die meisten von uns Börsianern haben im Herbst 2008 sicher panische Angst gehabt. Die Befürchtung war natürlich, jede Menge Geld zu verlieren. Womöglich haben viele panisch abgestoßen, was abzustoßen war. Das ist verständlich, rational gedacht aber die falsche Entscheidung. Das gilt nicht nur im Nachhinein. Denn, wer am Aktienmarkt investiert ist, geht von einer langfristigen positiven Rendite aus und sollte sich von kurzfristigen Schwankungen – und seien diese wie bei einem Crash auch noch so heftig – nicht aus der Ruhe bringen lassen. Alles andere wäre der Versuch, es besser zu wissen als der Markt und Market Timing betreiben zu wollen. Das aber gelingt im Schnitt nicht, ist also allenfalls ein zufälliger Erfolg.

Schauen wir uns einmal an, was im Herbst 2008 passiert ist. Allein von Anfang September bis Ende Oktober 2008 verloren die globalen Aktienmärkte fast ein Drittel wie ein Blick auf den MSCI All Country World Index zeigt. Das war ganz klar ein Crash! Lassen Sie sich von dem kleinen Aufschwung Ende Oktober 2008 nicht täuschen, es ging danach nochmal massiv weiter bergab.Im Frühjahr 2009 fiel der Index auf rund 200 Zähler.

Wichtig ist das langfristige Ergebnis

Was machen langfristige Investoren? Sie kaufen stoisch weiter, weil sie dran glauben, dass die Rendite langfristig positiv sein wird. Wer im Herbst 2008 beim Indexstand von fast 360 zugekauft hat, tut es auch später bei 300 oder eben 200 – und profitiert davon, wenn es irgendwann wieder auf 400 oder höher geht. Denn, wer beim Abschwung verkauft, stößt womöglich die bei 360 gekauften Papiere bei 300 ab (also weit vor dem Tief, das ist schön) – und steigt dann erst wieder ein, wenn die 380 (also weit nach dem Tief, das ist schade) erreicht sind. Das kann kein gutes Geschäft sein. Und: Nein, keiner schafft es, bei 360 zu verkaufen und bei 200 wieder einzusteigen.

Der Crash im Herbst 2008 und die Zeit danach am MSCI ACWI illustriert.

Der Crash im Herbst 2008 und die Zeit danach am MSCI ACWI illustriert.

Weshalb stillhalten das Beste ist, zeigt ein Blick auf den langfristigeren Chart. Wer im Herbst 2008 investiert geblieben ist und wie gehabt konsequent zugekauft hat, machte zwar den Abschwung voll mit, aber eben auch den folgenden Aufschwung. Bereits 2013 hatte der Index die 360 wieder erreicht und wer in den Krisenjahren davor gekauft hatte, tat dies zu einem Preis deutlich darunter und dürfte dementsprechend schon vorher wieder im Plus gewesen sein. Wer jedoch aus Panik im Herbst 2008 beim Crash ausstieg und dann der Börse erst einmal einige Jahre fernblieb, dem gelang das nicht.

Was uns Norwegen lehren kann

Der norwegische Ölfonds zog seine langfristige Strategie natürlich auch vor zehn Jahren durch und war deshalb schnell wieder im Plus. Was zu Crash-Zeiten im Herbst 2008 einige Norwegern sicher mit Bangen wahrnahmen, war im Nachhinein sogar ein großes Plus für den Fonds. Denn die Politik hatte 2007 (also vor dem Crash) beschlossen, dass der Fonds die Aktienquote um 50% auf 60% erhöhen sollte. Dazu ein kurzer Ausschnitt aus meinem Buch:

“Im Jahr 2007 kam dann der nächste große Schritt: Die Politiker beschlossen erneut, den Aktienanteil zu erhöhen, diesmal auf 60 %. In großem Stil setzte NBIM die Aufstockung des Aktienanteils erst ab 2008 um. Das aber war das Jahr des großen Crashs und eignet sich deshalb bestens, um die mit Aktien verbundenen Chancen und Risiken zu veranschaulichen. Der Zeitpunkt zur Aufstockung des Aktienanteils mitten in der Finanzkrise, als die Kurse drastisch fielen, war zufällig, hatte aber durchaus Vorteile. »Das war ein Glückstreffer. Die Krise sorgte dafür, dass der Fonds Aktien im Ausverkauf erwerben konnte«, urteilte die Zeitung Aftenposten. Allerdings mussten auch etliche Anleihen zu sehr schlechten Kursen verkauft werden.

Norwegen hielt trotz Krise eisern am 60-Prozent-Ziel fest und kaufte, während andere in Panik ihre Aktien abstießen. Die Preise fielen dramatisch und erreichten unerwartete Tiefstände, die sich dann wieder und wieder nur als Zwischentief herausstellen sollten. Es ging kontinuierlich weiter abwärts – bis zum Frühjahr 2009.

Ende 2008 hatte der Ölfonds einen Aktienanteil von 49,6 %; bis Ende 2009 stieg dieser auf 62,4 %. Im Jahr 2009 erwirtschaftete er eine Rendite von 25,6 % – nach einem Verlust in fast derselben Höhe im Jahr zuvor. 

Auch ohne Erhöhung des Aktienanteils hätte Norwegen in den Jahren 2008 und 2009 billig dazugekauft, wenngleich nicht ganz so viel. Das Anlagevermögen prozentual auf mehrere Anlageklassen aufzuteilen bringt es nämlich mit sich, zu handeln: Anteile an den Investments, die günstiger werden, werden zugekauft, während teurer werdende abgestoßen werden. So bleibt das einmal vorgegebene Verhältnis der Anlageklassen langfristig stabil. In der Finanzsprache heißt dieser Vorgang, der zurück zum ursprünglichen Vermögensklassenmix führt, Rebalancing oder Umschichtung, wobei durch den deutschen Begriff die Wiederherstellung eines früheren Status quo nicht so deutlich wird. Dieser Effekt tritt im Übrigen stets auf, solange die unterschiedlichen Anlageklassen sich nicht genau gleich entwickeln.”