Schorsch Kamerun, VW und die Ruhrtriennale

Reden kann er und singen sowieso: Schorsch Kamerun, Sänger (“Die Goldenen Zitronen”), Autor und Regisseur. Es war eine Freude, ihn kürzlich im Deutschlandfunk Kultur zu hören. Die Vorfreude auf sein “M” in München ist groß. Was er zu “VW” gesagt hat, bleibt dahinter zurück.

Schade nur, dass das großen Teils berechtigte Lamentieren über schlechte Bedingungen für die Kultur am Ende (letzte Interview-Minute) mal wieder nach Opferhaltung und klischeehaftem Klagen über die übermächtigen Konzerne klang und nicht nur polemisch.

So etwas wie man sich mit der Absage der Ruhrtriennale (wegen Corona) erlaubt habe, das würde man mit Volkswagen nie machen, so Schorsch Kamerun im Deutschlandfunk Kultur. So verkürzt dahingeworfen klang das, als habe die Politik sich mal wieder den Interessen “des Kapitals” gebeugt und sei die Autoindustrie oder zumindest der VW-Konzern von den Maßnahmen zur Eindämmung von Corona ausgenommen und unbeschadet.

Gute Kunst hier, böses Kapital da. Klischee überall.

VW ist nicht abgesagt worden, das stimmt (wie auch soll ein Autokonzern abgesagt werden?), aber hart getroffen. Dazu hier nur einmal ein aktuelles Beispiel eines Berichts bei Börse Online. Warum also der Einwurf? Weil die Hörer vom Theatermagazin, in dem das Interview lief, wie auch der Moderator so etwas unhinterfragt und vermutlich sogar innerlich beklatschend hinnehmen? Kameruns Einwurfe mag polemisch gemeint gewesen sein, klang aber mehr als das und vielleicht glaubt es ja sogar jemand 100%: Gute Kunst hier, böses Kapital da. Klischee überall.

Doch so einfach ist es nicht. Die Bösen und Mächtigen sind immer die anderen und die sind immer böse und mächtig ist ein Narrativ, das (zum Glück) selten stimmt. Im einfachsten Fall vereinfacht es nur stark, doch es kann auch eine Debatte vergiften (nicht zuletzt die um Aktien).

Was uns wieder zurück ins Feuilleton bringt und zugleich in der Wirtschaft bleiben lässt. Claudius Seidl, ein Freund der Kultur, schreibt heute in der Frankfurter Allgeminen Sonntagszeitung unter dem Titel “Alle sind verblendet” vom “populäre[n] linke[n] Verdacht, wonach an fast allen Übeln der Welt ein abstrakter Bösewicht namens Neoliberalismus Schuld habe”.

Musik! (s.o.)

 

Investieren in die Steinzeit?

Norwegische Natur bei Holter. (Foto: Bomsdorf)

Norwegische Natur bei Holter. Wie sah die wohl zur Steinzeit aus? (Foto: Bomsdorf)

Die FAZ hat das Format des Verlaufsprotokolls wieder entdeckt! Ob das eine gute Idee ist? Machte weder beim Schreiben noch beim Lesen Spaß. So war es jedenfalls in der Schule und so ist es leider auch beim Text “Die Folgen werden irreversibel sein” in der heutigen FAZ. Ist ein bisschen Steinzeit des Journalismus (das diese Form gewählt wurde, liegt vermutlich eher an der knappen Zeit, die sie bis zum Abgabetermin hatte, als an der Autorin selber).

Aber manchmal muss man da halt durch, um so schöne Zitate zu lesen wie:

“Die Steinzeit ist ja nicht zu Ende gegangen, weil es einen Mangel an Steinen gegeben hat.”

 

Langweilig, aber lesenswert

Die FAZ hat Joschka Fischer (für die jüngeren Leser: war mal grüner Außenminister und ganz früher hessischer grüner Umweltminister) mit Christian Staub (für alle: Europa-Chef von Fidelity) zusammengebracht und das Gespräch, nun ja, protokolliert. Der Text ist noch nicht online, aber vielleicht bald hier.

Fischer gibt sich fortschrittsgläubig. Das Zitat lautet komplett: „Die Steinzeit ist ja nicht zu Ende gegangen, weil es einen Mangel an Steinen gegeben hat, sondern weil sich Technologien entwickelt haben.“ Sprich, Innovationen können uns weiterhelfen und die müssen nunmal finanziert werden. Wer dort hohe Gewinnchancen sieht, wird entsprechende Produkte entwickeln und/oder dort invstieren. Geld nachhaltig umzuschichten kann auch helfen – das ist also eine Entscheidung die nicht nur vom Gewinnstreben, sondern auch vom Gewissen gesteuert ist.

Und was ist jetzt mit uns Privatanlegern?

So heißt es in dem Artikel später “Es komme aber nicht nur auf den Staat und die großen institutionellen Investoren an, findet Fischer. Vor allen Dingen müsse die Initiative von den Privatanlegern kommen.” Interessant.

Doch dann hat das Protokoll wohl einen Aussetzer oder Fischer hat zu dem Thema nicht mehr viel gesagt. Jedenfalls bleibt es leider ungeschrieben, was denn nun die Privatanleger hier für eine Rolle spielen könnten. Stattdessen: ein schönes Beispiel, was die Politik bewirken kann – auch mit Maßnahmen, die die Wirtschafts zunächst heftig kritisiert.

Fifty Shades of Grey - Nordfjorden, Svalbard. (Foto: Bomsdorf)

Fifty Shades of Grey – Nordfjorden, Svalbard. (Foto: Bomsdorf)

Abwasser und Kapitalismus

Fischer beschreibt das Verbot Abwasser einfach in Flüsse einzuleiten. Das war lange Standard, da billig, und als ein Verbot drohte, kam die Angst vor steigenden Kosten. Trotzdem blieb der dauerhafte wirtschaftliche Niedergang aus.

Das ist das Schöne am Kapitalismus: zwingt man die Marktteilnehmer (ja! denn wer will schon einen komplett “ungezügelten” Kapitalismus) zum Beispiel zu mehr Umweltschutz, meckern sie erst und tun dann alles, um unter diesen neuen Bedingungen zu überleben und möglichst viel Gewinn zu machen. Davon profitieren dann wieder Angestellte und Aktionäre  – und von den strikteren Umweltbedingungen alle. Natürlich dürfen die Eingriffe nicht zu schnell und zu radikal kommen, aber sie müssen kommen. Staub nimmt in dem Gespräch übrigens eher die Position des etwas Zaghafteren ein.

Wir Privatanleger können den Wandel beschleunigen – durch bewussten Konsum und bewusste möglichst ökologische Anlageentscheidungen, soll heißen die möglichst grüne Variante von ETFs zu wählen und vielleicht nebenbei ein kleines grünes Portfolio aufzubauen.

Die FAZ hat übrigens gar nicht Steinzeit eine neue Serie “Grüne Finanzen” zu der das hier erwähnte Verlaufsprotokoll, ähh, der hier erwähnte Artikel gehört. Lesen lohnt!

RWE ade! Uniper passé?

Kohlekraft? Nein Danke! gilt weitgehend beim norwegischen Ölfonds. Jetzt trifft es den deutschen Energiekonzern RWE (ISIN: DE0007037129) voll und Uniper (ISIN: DE000UNSE018) halb. RWE ade also. Und Uniper passé? (Dazu mehr ganz unten.)

Schönes Feuer, aber der Dreck! Kohle ist auch nicht sauber. (Foto: Bomsdorf)

Schönes Feuer, aber der Dreck! Kohle ist auch nicht sauber. (Foto: Bomsdorf)

RWE, so teilte NBIM heute mit, ist nunmehr auf die schwarze Liste gesetzt worden und damit kein Ziel mehr für Investitionen des Fonds. Divestment nennt sich das. NGOs wie Urgewald , die mit ihrem Partner Framtiden i våre hender auch in Norwegen aktiv sind, forden so ein Anti-Investieren schon lange. Unternehmen wegen ihres Handelns Geld zu entziehen ist die kapitalistische Methode, um sie auf den gewünschten Kurs zu bringen.

Der Ölfonds gibt den Ausstieg von RWE übrigens einen Tag bevor der Energiekonzern mit Quartalszahlen kommt, bekannt.

Wenn einer der größten Investoren der Erde aus einem Unternehmen aus ethsichen Gründen aussteigt, erregt das viel Aufmerksamkeit (etwa Handelsblatt und Financial Times  heute,  auch Wiwo früher) und könnte Signalwirkung haben. Vermutlich schauen andere Investoren hier mehr hin, als wenn Urgewald entsprechendes fordert, deren Engagement aber oft am Anfang steht oder zumindest das manch großer Investoren begleitet. Die Moral des Fonds – und auch der RWE-Anteil im Speziellen – war schon Thema in meinem Interview mit dem obersten Manager des Fonds , Yngve Slyngstad, für Die Zeit im November 2018, zu lesen über diesen Link.

Ende 2019 hielt der Fonds an RWE noch 0,6% zu einem Marktwert von knapp über 100 Millionen EUR. Die ebenfalls viel kritisierte Uniper landete heute auf der Beobachtungsliste, späterer Ausschluss nicht ausgeschlossen.  RWE ade, Uniper passé?