Viva Italia! oder Italienische Wochen bei Thomas Fricke

Erwin Wurm hinter der Kamera? Deutschlands Zerrbild von Italien. (Foto: Bomsdorf)

Erwin Wurm hinter der Kamera? Deutschlands Zerrbild von Italien. (Foto: Bomsdorf)

Italien, Frankreich, Spanien – in Europa ist der Süden von der Corona-Krise besonders hart getroffen. Das ist kein Zerrbild von Italien & Co.: Die viel zitierten Daten der Johns Hopkins Universität lassen das erkennen. Medienberichte aus den Regionen zeigen, wieviel schlimmer die Lage dort an einigen Orten im Vergleich zu Deutschland war und auch noch ist. Die Länder gehörten in Westeuropa ohnehin schon zu den wirtschaftlich schwächeren – das pro-Kopf-Einkommen weit hinter Deutschland, die Staatsverschuldung hingegen höher.

Das sind keine guten Voraussetzungen für eine (halbwegs rasche und nicht einmal eine relativ langsame) Erholung. Solidarität ist ein großer europäischer Gedanke. Italien hätte jetzt gerne Eurobonds, die u.a. Deutschland ablehnt (das sind die Positionen der beiden Regierungen), das aber für Unterstützung generell offen ist. Viel wurde in den vergangenen Wochen diskutiert – beiderseits nicht immer auf hohem Niveau, sondern oft mit Klischees und Schlimmerem. Da kam in Italien manchmal der Nazi-Vergleich und in Deutschland die Klage über die faulen Italiener, die selber schuld seien.

Thomas Fricke zu Italien und Coronakrise bei Der Spiegel.

Thomas Fricke zu Italien und Coronakrise bei Der Spiegel.

Fricke – erfrischend anders

Doch es ist nicht so simpel. Sehr lesenswert und erfrischend anders sind in diesem Zusammenhang die Artikel meines früheren FTD-Kollegen Thomas Fricke bei Der Spiegel (empfohlen sei auch sein Blog Neue Wirtschaftswunder). Also eine dreifache Leseempfehlung (als Denkanstoß – soll also nicht heißen, dass die Argumente der FAZ und anderer Ökonomen alle durchgängig unsinnig sind):

  • Deutschlands fatales Zerrbild von Italien: Das wahre Euro-Drama liegt im irrigen deutschen Klischee vom prassenden Italiener. Es hat mit der Lebenswirklichkeit nichts zu tun – und ist dabei, die EU zu zersetzen. (24.04.2020),
  • Müssen die armen Deutschen für reiche Italiener zahlen?: Viele Deutsche lehnen EU-Hilfen für Italien ab: Die haben doch angeblich mehr Privatvermögen als wir, meinen sie, soll deren Regierung davon etwas nehmen und die Schulden zahlen. Klingt märchenhaft. Und das ist es auch. (01.05.2015),
  • Richter von gestern: Das Bundesverfassungsgericht will die Euro-Notenbank auf Regeln aus Schönwetterzeiten festnageln. Dabei wurden die von der Wirklichkeit längst überholt. Konsequent wäre, Finanzwelt und Währungsunion neu zu regeln. (08.05.2020),

Wenig kann auch viel helfen

In meinem Buch erwähnte ich es schon, warum nicht einen Teil des eigenen finanziellen Erfolgs auch einmal nutzen, um zu spenden. Wer jetzt den Einwohnern Italiens und anderer hart getroffener Länder oder auch Bewohnern der Flüchtlingslager helfen möchte, kann das Dank europäischen Zahlugssystems und IBAN ganz einfach per Überweisung tun. Hier ein Überblick über italienische Spendenkonten, Ärzte ohne Grenzen, Rotes Kreuz Spanien.

Schon eine monatliche Sparrate kann bei den gemeinnützigen Institutionen investiert einen Unterschied machen. Zumal, wenn viele Leute so handeln. Das hat nämlich einen ähnlichen Effekt wie die konstante Sparrate, die einzelne tut auch nicht weh, macht auf Dauer aber einen Unterschied.

Wohl dem, der eine gute finanzielle Vorsorge besitzt

Der revidierte norwegische Haushalt 2020 liegt vor und damit die genaue Summe, die der Staat dieses Jahr aus dem Ölfonds entnehmen möchte. Der Spiegel schreibt im Nachrichtentext dazu schon im Vorspann: “Wohl dem, der einen billionenschweren Staatsfonds besitzt”. Norwegen muss sich nämlich nicht stärker verschulden, um die enormen Sonderausgaben wegen der Corona-Krise zu stemmen. Das Land kann auf Erspartes zurückgreifen, denn es hat eine gute finanzielle Vorsorge.

Wieder einmal gilt: Wenn Sie ähnlich dastehen, ist das gut für Sie.

Revidiertes norwegisches Nationalbudget 2020. (Screenshot: Norw. Finanzministerium)

Revidiertes norwegisches Nationalbudget 2020. (Screenshot: Norw. Finanzministerium)

Wer Geld in sehr liquide Anlagen wie international gehandelte Aktien oder Anleihen investiert, kann sehr schnell reagieren, wenn an anderer Stelle mal mehr Geld benötigt wird. Ein enormer Vorteil. Den bietet ein nach norwegischem Vorbild aufgebauter Zukunftsfonds auch Privatanlegern. Immobilieninvestments beispielsweise sind da viel inflexibler.  (Norwegen investiert ebenfalls in Immobilien, aber einen sehr viel kleineren Teil als es bei Haushalten der Fall ist, die ein oder mehrere Wohnungen besitzen).

Entnahmen aus dem Ölfonds?

Wer sich noch nicht ausführlich mit dem Ölfonds beschäftigt (und zum Beispiel mein Buch noch nicht gelesen hat 😉 ), mag sich wundern: Entnahmen aus dem Ölfonds?

Deshalb ein wenig Hintergrund: Norwegen fördert seit 1971 Öl und investiert die Gewinne aus dem Rohstoffgeschäft seit 1996 weltweit, seit 1998 auch in Aktien. Die ausgeschütteten Gewinne der staatlichen Anteile am Ölriesen Equinor (ehemals bekannt als Statoil), Steuern auf das Geschäft mit dem schwarzen Gold und Zahlungen aus staatlichen Direktbeteiligungen an Ölfeldern fließen allesamt in den norwegischen Ölfonds. Offiziell heißt der »Statens Pensjonsfonds Utland«, also »Staatlicher Pensionsfonds Ausland«. Mit dem soll dafür gesorgt werden, dass die heimische Wirtschaft nicht überhitzt und auch zukünftige Generationen etwas vom norwegischen Wohlstand haben. Wie der Name schon sagt, ist gute finanzielle Vorsorge das Ziel. So weit, so gut.

Lex Stoltenberg

Laufende Zuschüsse zum Haushalt sind aber erlaubt, ja sogar vorgesehen. Schließlich sind es Staatseinnahmen und ein bisschen davon soll aktuell verwendet werden können. Üblicherweise übersteigen die jährlichen Zuflüsse die Entnahmen. Laut der von Jens Stoltenberg – früher norwegischer Finanzminister und dann Regierungschef, jetzt NATO-Generalsekretär – etablierten “handlingsregel” (Handlungsregel) sollen diese aktuell 3% des Fondsvolumens nicht überschreiten, in der Regel.

Jetzt sind es also 4,2% gemessen am Volumen zu Beginn des Jahres. Vergangenes Jahr waren es eben jene 3,0% – siehe die Grafik für die zwei Zahlen weiter oben im Text (hier mal auf Norwegisch, ausführlich auf Englisch hier).

Angesichts der hohen staatlichen Ausgaben in vielen Ländern, lohnt es sich, nochmal John Maynard Keynes zu lesen. Gerne auch in zusammengefasster Form, zum Beispiel in diesem FAZ-Text aus Zeiten der Finanzkrise vor über 10 Jahren.

Heiße Aktien-Tipps

Heiße Aktien-Tipps bei der Wirtschaftswoche. (Screenshot www.wiwo.de 11.5.2020 15.30Uhr)

Heiße Aktien-Tipps bei der Wirtschaftswoche. (Screenshot www.wiwo.de 11.5.2020 )

Nach dem Crash vom März, der schon wieder zu einem erstaunlich großen Teil ausgeglichen ist, scheinen viele Anleger weiter nervös. Zumindest wirbt die Wirtschaftswoche gerade heftig um jene, die hohe Rendite und Sicherheit wollen, heiße Aktien-Tipps also. Und wer will das nicht? Aktien, die “zehn Jahre lang stets ihre Heimatbörse geschlagen” haben und “Die besten Aktien der Welt” bietet die Website heute, 11. Mai 2020, an.

Interessante Untersuchungen keine Frage. Doch – die erste Überschrift deutet es nicht nur an – geht es hier um eine Rückschau. Jeder von uns kann recht schnell einige Aktien finden, die in der Vergangenheit überdurchschnittlich gut abgeschnitten haben.

Doch leider ist es jetzt nicht mehr möglich, Apple oder Amazon zum Preis von 2010 zu kaufen. Was also nützt eine solche Übersicht? Sind es doch letztlich heiße Aktien-Tipps von gestern. Der sonst eher nüchterne Gerd Kommer spricht gerne von “Investmentpornographie” (hier dazu ein Beitrag bei Christian Thiels “Großmutters Sparstrumpf”).

Lesenswert sind die Listen der Wiwo (wie die komplette Zeitschrift) sicher, aber niemand sollte davon erwarten, mit einem Investment in die dort genannten Aktien garantiert überdurchschnittlich gute Gewinne zu machen. Denn wenn das so wäre, warum wäre die Nachfrage nach diesen Papieren nicht jetzt schon so hoch, dass die aktuellen Kurse all die Erwartungen eingepreist hätten?